Unvergessen: Julius Schnorr von Carolsfeld - Eine malerische Adelsgeschichte

Im Rahmen des Projektes "Unvergessen: Dresdner Persönlichkeiten und wo sie begraben liegen" interviewte der Journalist Henry Berndt einen Nachfahren der bedeutenden Familie Schnorr von Carolsfeld: Hansheinrich Schnorr von Carolsfeld. Als Namensträger der Adelsfamilie, die bedeutende Fabrikanten wie auch Künstler hervorgebracht hat, fühlt er sich verantwortlich das Vermächtnis der Familie zu erhalten und zu pflegen. Das betrifft eine alte Orangerie in Arnsdorf bei Bautzen ebenso wie mehrere Grabstätten der Familie in Dresden und Schneeberg.


Aus dem Gespräch mit Hansheinrich Schnorr von Carolsfeld, der uns in der durch ihn seit den 1990er-Jahren instandgesetzten Orangerie der Familie in Arnsdorf empfing, ging auch ein biografischer Text hervor. Hier finden Sie eine Kurzversion dieses Textes, der gemeinsam mit anderen im Rahmen dieses Projektes erarbeiteten Texten, in seiner vollständigen Version in eine spätere Buch-Publikation einfließen soll. 


Julius Schnorr von Carolsfeld - Eine malerische Adelsgeschichte

Ein alter Mann mit langem Bart und wehendem Gewand - dieses Bild von Gott prägte ganze Generationen. Der Maler Julius Schnorr von Carolsfeld hielt den allmächtigen Schöpfer Mitte des 19. Jahrhunderts in genau dieser Gestalt in seinen Holzschnitten fest. Die Bilder-Bibel wurde ein Bestseller. “In den 20er- und 30er-Jahren war Religion in der Schule noch ein Hauptfach und als Schulbuch gab es eine Lutherbibel mit Schnorr-Bildern”, sagt Hansheinrich Schnorr von Carolsfeld, ein Nachfahre der Familie, der sich heute für das Andenken verantwortlich fühlt.
An ihrer Aktualität hätten diese Werke bis heute nichts eingebüßt.

Julius Schnorr von Carolsfeld wurde 1794 in Leipzig geboren. Als Maler wird er der deutschen Romantik zugeordnet und gilt heute neben Friedrich Overbeck als bekanntester Vertreter der Nazarenischen Kunst. Vor allem Landschaften wurden zu seiner großen Leidenschaft. Seine detailgetreuen Ansichten der Albaner und Sabiner Berge in Italien gehören zu den besten Landschaftsdarstellungen des 19. Jahrhunderts.

Auf dem Alten Annenfriedhof in der Dresdner Südvorstadt finden sich heute zwei Grabmale der Familie Schnorr von Carolsfeld. In einer Grabstelle hat neben Julius auch Ludwig (1836 bis 1865), einer seiner Söhne, die letzte Ruhe gefunden. Obwohl Ludwig bereits im Alter von 29 Jahren starb, sicherte er sich als Sänger am Dresdner Hoftheater einen festen Platz in der Musikgeschichte.
Ludwig und Julius gegenüber liegen im Grab ihre Frauen Marie und Malvina.
Als Richard Wagners weltbekannte Oper „Tristan und Isolde“ im Jahr 1865 in München uraufgeführt wurde, sangen Ludwig und Malvina die Hauptrollen. “Ludwig war ein begnadeter Heldentenor”, sagt Hansheinrich. “Er hat die Originalversion so singen können, wie es nach ihm kein anderer mehr geschafft hat.”


Das Grab Julius Schnorr von Carolsfeld aus kunsthistorischer Sicht:

Nicht nur in Bezug auf die kulturhistorische Bedeutung der hier beigesetzten Familienmitglieder ist dieses Grab von großer kunsthistorischer Relevanz.
Die Art der Gestaltung des Grabes mit zwei sich gegenüberstehenden Grabmalen, ist mindestens für Dresden einzigartig. Julius und sein Sohn Ludwig liegen hier Seite an Seite - ihnen gegenüber ihre jeweilige Ehefrau. 
Verbindendes Element ist neben der Pflanzfläche der Grabzaun. 
Die Form der Grabmale selbst gleicht zwei bogenförmigen Biforien, Doppelfenstern wie man sie in repräsentativen Bauwerken findet.
Das Grabmal von Julius und Ludwig wird geschmückt von einem Kreuz, das auf dem Grabmal der beiden Damen ebenso fehlt wie das Familienwappen zwischen den Portraitmedaillons. Letztere stammen zumindest teilweise von Robert Henze, einem namhaften Dresdner Bildhauer der ebenfalls auf dem Alten Annenfriedhof ruht.
Die unter den Medaillons befindlichen Schriftflächen werden separiert von einer nach unten gerichteten Fackel, einem Symbol für das Erlöschen des Lebens.
Besonders schön sind die lyrischen Texte zu den einzelnen Persönlichkeiten:
Julius und seine Frau Marie zeigen auch hier ihre Verbundenheit miteinander, indem sie zwei Strophen desselben Liedes auf ihren Grabmalen tragen. Es handelt sich dabei um das Pilgerschaftslied zu Psalm 137,6 von Johann Matthäus Meyfart "Jerusalem, du hochgebaute Stadt". Umso treffender ist das gewählte Lied bedenkt man, dass Julius letztes Gemälde den Titel "Himmlisches Jerusalem" (in anderen Quellen: "Das neue Jerusalem") trug. Es war von Marie Schnorr von Carolsfeld den Annenfriedhöfen vermacht worden und zierte die Feierhalle des Neuen Annenfriedhofes bis zu ihrer Zerstörung 1945.

Bei Julius steht Strophe 3 des Liedes:
"Oh Ehrenburg sei nun gegrüßet mir
Thu auf der Gnaden Pfort
Wie grosse Zeit hat mich verlangt nach dir
Eh ich bin kommen fort
Aus jenem bösen Leben
Aus jener Nichtigkeit
Und mir Gott hat gegeben
Das Erb der Ewigkeit."

Bei Marie steht Strophe 6:
"Wenn dann zuletzt ich angelanget bin
Im schönen Paradeis
Von höchster Freud erfüllet wird der Sinn
Der Mund voll Lob und Preis,
Das Hallelujah reine
Sing man in Heiligkeit,
Das Hosianna feine
Ohn End in Ewigkeit."

 

Auch der Text auf Ludwigs Grab ist erwähnenswert, enthält er doch passend zu seiner größten Gesangsroll leicht abgewandelte Zitate  aus "Tristan und Isolde" (3. Akt) von Richard Wagner:
"Du bist in Frieden.
sicher und frei!
im echten Land.
ein Heimath-Land
drum von Tod und Wunden
du selig sollst gesunden."

Wer nun Selbiges von Ludwigs Ehefrau und "Isolde" Malwine erwartet, wird jedoch enttäuscht sein. Nachdem sie in um viele Jahrzehnte überlebt hat, erschien ihr das vielleicht nicht mehr passend für sich selbst, so dass bei ihr eine vermutlich freie Dichtung zu finden ist, die Bezug auf den schmerzhaften Verlust ihres Mannes in jungen Jahren nimmt:
"Tod du trenntest uns dereinst,
Nun uns immerdar vereinst,
Nach dem Lebenswerk hienieden
Heimgekehrt zum ewigen Frieden."