Richard Näcke, der Enkel von Paul Näcke, hatte sich ursprünglich bereit erklärt für ein Interview im Rahmen des Projektes "Unvergessen: Dresdner Persönlichkeiten und wo sie begraben liegen" zur Verfügung zu stehen. Nach einer Terminverschiebung kam es jedoch leider nicht mehr zu einem Gespräch - Richard Näcke verstarb im Herbst 2022. In Vorbereitung zum Gespräch hatte er Henry Berndt und Lara Schink aber jeweils einen Brief geschrieben mit vielen interessanten Informationen zu Paul Näcke. Damit Richard Näckes Bemühungen nicht umsonst waren und die Geschichte Paul Näckes in Vergessenheit gerät, wurde auf Basis der Briefe und weiterer Recherchen diese Texte erstellt.
Paul Näcke - Der Erfinder des Narzissmus
Sind Menschen schon von Geburt an darauf geprägt, gut oder böse zu sein, ein unbescholtenes Leben zu führen oder später Verbrechen zu begehen? Das ist eine der Fragen, mit denen sich Paul Näcke
intensiv befasste. In der Kriminologie und Kriminalanthropologie hat er mit seiner Forschung tiefe Spuren hinterlassen - doch längst nicht nur hier.
Als Psychiater führte Näcke derweil den Begriff “Narzissmus” als “Selbstverliebtheit” in die wissenschaftliche Diskussion ein und beeinflusste damit unter anderem Sigmund Freud, beschäftigte sich
mit den Gründen für Homosexualität und wurde zu einem guten Bekannten von Karl May, den er in der Villa Shatterhand in Radebeul besuchte. Näcke, dessen Grab auf dem Alten Annenfriedhof in
Dresden-Plauen zu finden ist, war ein Universalgelehrter, der auch mehr als 100 Jahre nach seinem Tod in keine Schublade gesteckt werden kann.
Dennoch oder gerade deswegen wurde er nie vergessen.
Geboren 1851 in St. Petersburg, wuchs Näcke seit seinem sechsten Lebensjahr in Dresden auf, besuchte hier zunächst die Annen-Realschule und später das Gymnasium zum heiligen Kreuz, die heutige
Kreuzschule. Nach seinem Medizinstudium wandte er sich 1880 der Irrenheilkunde zu und begab sich in den psychiatrischen Dienst des Königreichs Sachsen. Am 18. August 1913 starb Paul Näcke völlig
überraschend auf dem Höhepunkt seines Schaffens.
Er wurde nur 63 Jahre alt.
“Draußen im Familiengrabe auf dem alten Annenfriedhof in Dresden ruht sein Leib - endlich mitten im Brausen der Großstadt, deren geschäftigen Atem zu fühlen er lebens sich so sehr gesehnt”, ist
in einem Nachruf zu lesen.
Was wird von Paul Näcke bleiben?
Mit dieser Frage beschäftigten sich schon seine Wegbegleiter.
“Es ist nicht eine große Entdeckung, eine große Tat, die ihn bekannt gemacht hat, es sind kritische Äußerungen, ja oft skizzenartig hingeworfene Bemerkungen in Fülle - richtige, und vielleicht
auch nicht so selten falsche - die jeden Psychologen und Kriminalanthropologen zwingen, sich mit ihm auseinanderzusetzen”, heißt es in dem Nachruf.